zurück zum Blog

Integrationsportal Kanton St. Gallen: Informationen so gestalten, dass sie ankommen

Was Zugewanderte bei ihrer Ankunft als erstes benötigen, sind verständliche und klare Informationen. Diese geben Orientierung und fördern die eigenständige Integration. Um das Informationsangebot für Zugewanderte des Kantons St.Gallen zugänglicher zu gestalten, entwickelt die Abteilung Integration und Gleichstellung ein digitales Integrationsportal. Die Ergonomen unterstützten die Abteilung nebst der Konzeption und Umsetzung des Portals mit der Durchführung einer Redaktionsschulung. Die Content-Verantwortlichen lernten dabei Neues zur wirkungsvollen und zielgruppenorientierten Inhaltsvermittlung.

16. November 2022
Dr. Wiebke Hähl, Consultant

Consultant

Sandro Zuppiger, MSc, Consultant

Consultant

38% der Schweizer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Dies sind 2’766’000 Personen und jährlich kommen mehr als 150’000 Personen dazu. Die Migrationshintergründe dabei sind divers. So zählen sowohl das italienische Ehepaar, der somalische Flüchtling, als auch der deutsche Arzt oder der ungarische Ingenieur als Personen mit Migrationshintergrund. Die Abteilung Integration und Gleichstellung des Kantons St. Gallen entwickelt für diese Personen ein digitales Integrationsportal. Dieses soll Zugewanderten jegliche Informationen zu Integrationsthemen bieten und so die eigenständige Integration fördern. Doch wie geht man mit so einer diversen Zielgruppe um? Wie gestaltet man die Inhalte des Integrationsportals so, dass sie bei allen ankommen? Die Lösung: Man konzentriert sich auf das Bedürfnis, das die meisten Personen mit Migrationshintergrund gemeinsam haben: Das Bedürfnis nach relevanten Informationen in einfacher, verständlicher Sprache. In einer Redaktionsschulung erklärten die Ergonomen den Redaktorinnen und Redaktoren wie man Inhalte im Falle zielgruppengerecht, kontextspezifisch und wirkungsvoll aufarbeitet und verfasst.

Die Theorie: Motivation x Fähigkeit x Trigger = Verhalten

Was fördert die eigenstände Informationsbeschaffung von Zugewanderten? Gemäss dem Verhaltensmodell von B.J. Fogg (Tiny Habits) gibt es drei Faktoren, die dafür ausschlaggebend sind: Motivation, Fähigkeit und Trigger. Das heisst, dass Zugewanderte sowohl motiviert als auch in der Lage sein müssen, sich mit dem Informationsangebot des Integrationsportals auseinanderzusetzen. Sind diese Grundvoraussetzungen gegeben, fehlt nur noch ein geeigneter Trigger, also ein Signal, welches das Verhalten «auslöst». Dies kann intern (z.B. eine Frage, die sich mir stellt) oder extern (z.B. den Hinweis der Beratungsstelle auf das Informationsangebot) gegebenen werden. Ziel ist es demnach mit verschiedenen kommunikativen Mitteln die Motivation und die Fähigkeit der Zugewanderten für die eigenständige Informationsbeschaffung zu steigern, so dass schliesslich die Aktionslinie überschritten und das Zielverhalten gezeigt wird.

Abb. 10: Kommunikative Massnahmen können Zugewanderte für die eigenständige Informationsbeschaffung motivieren und befähigen.

Abb. 1: Kommunikative Massnahmen können Zugewanderte für die eigenständige Informationsbeschaffung motivieren und befähigen.

Zielgruppenverständnis stärken

Je besser man seine Zielgruppe kennt, desto besser kann man für sie schreiben. Daher ist der erste Schritt zum erfolgreichen Text immer die Definition des Nutzers und des Nutzungsverhaltens. Ein klares Zielgruppen-Profil bietet zwei Vorteile: Einerseits verringert es den internen Koordinationsaufwand und fördert den einheitlichen redaktionellen Auftritt gegen aussen. Andererseits erlangt man durch die Erstellung eines Zielgruppen-Profils eine klare Vorstellung davon, wie man seine Zielgruppe befähigen und motivieren kann. Nur wenn das Zielgruppen-Profil klar ist, kann man dafür Sorge tragen, dass die drei Faktoren von B.J. Foggs Verhaltensmodell gegeben und das Zielverhalten gefördert wird. Innerhalb des Redaktionsworkshops entwickelten wir insgesamt vier verschiedene Zielgruppen-Profile, die den Redaktoren künftig als Orientierungshilfe im Schreibprozess dienen.

Einfache Sprache wählen

Aufgrund der eingeschränkten Deutschkenntnisse vieler Zugewanderten vor allem zu Beginn ihres Lebens in der Schweiz, sowie eventuellen Schwierigkeiten in der selbstständigen Aneignung von fachlichen Informationen, ist es von zentraler Bedeutung, dass für das Integrationsportal eine einfache Sprache verwendet wird. Eine einfache Sprache ist generell immer dann einzusetzen, wenn Fachinhalte an Nicht-Fachpersonen vermittelt werden, und zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus: Sie ist inhaltlich klar, sie ist sprachlich korrekt und sie ist ästhetisch ansprechend. In der Umsetzung bedeutet dies vor allem der Verzicht auf lange, verschachtelte Sätze oder auf Fachbegriffe.

Seiten strukturiert und barrierefrei aufbauen

Mindestens so wichtig wie die einfache Sprache ist eine intuitive, unmissverständliche Navigations-, Seiten-, und Textstruktur. Nur wenn die Navigation klar und einfach ist, kann die Zielgruppe relevante Informationen schnell und ohne Umwege finden und bleibt motiviert sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Gleiches gilt auch für die Seiten- und Textstruktur. Dabei empfiehlt es sich, sich nach dem Pyramiden-Prinzip zu richten. Gemäss dem Pyramiden-Prinzip soll ein Text stets mit der Kernaussage beginnen und darauffolgend durch maximal drei Argumente unterstützt werden. So wissen Leser direkt um was es geht und können schnell entscheiden, ob der Inhalt für sie relevant ist. Besonders wichtig ist dies für Personen, die es durch ihren Beruf oder ihren Alltag nicht gewohnt sind, sich Informationen selbst anzulesen, da das Pyramiden-Prinzip die kognitive Verarbeitung der Informationen erleichtert.

Abb. 2: Erleichtert die kognitive Verarbeitung von Informationen: Texte, die nach dem Pyramiden-Prinzip aufgebaut sind.

UX Writing bewusst einsetzen

Besuchen Zugewanderte das Integrationsportal tun sie das mit einem bestimmten Zielvorhaben. Sei dies, um herauszufinden wie die Kinder für die Schule angemeldet werden können oder um zu verstehen wie man sich am neuen Wohnort registriert. UX Writing generell bezeichnet die sprachliche Begleitung eines Nutzers auf seiner Reise von seiner Intention bis zur Erfüllung seines Zielvorhabens. Zur Befähigung der Nutzer ist es beim UX Writing wichtig, dass man das richtige Mass an Informationen bietet. Überschwemmt man die Nutzer mit Informationen sind sie überfordert. Bietet man ihnen zu wenig Informationen, sind sie verwirrt und brechen den (Lese-)Prozess ab. Eine besonders motivierende Wirkung entfaltet UX Writing in Verbindung mit den psychologischen Erkenntnissen zum menschlichen Verhalten. Wer gerne mehr dazu erfahren möchte, findet im Download «BCX für UX Writing» eine Sammlung an Anwendungsbeispielen.   

SEO-Massnahmen berücksichtigen

Schliesslich muss einem klar werden: Die besten Webinhalte nützen nichts, wenn sie von der Zielgruppe nicht gefunden werden. Daher ist es wichtig, dass Webinhalte auf die Bewertungskriterien der gängigen Suchmaschinen ausgerichtet – also suchmaschinenoptimiert – sind. Mit suchmaschinenoptimierten Webinhalten kann die Position in den Suchergebnissen positiv beeinflusst werden. In unserem Fall wirkt eine gute Platzierung in den Suchresultaten in zweierlei Hinsicht: Einerseits befähigt sie die Zugewanderten relevante Informationen zu finden. Andererseits kann sie als Trigger fungieren, um sich mit der Website auseinanderzusetzen.  

Das Integrationsportal des Kantons St. Gallen bietet Personen mit Migrationshintergrund genau das, was sie benötigen: Informationen, die ihnen helfen, sich in der Schweiz zu orientieren und die sie bei der eigenständigen Integration unterstützen. Wir sind dankbar, dass wir die Abteilung Integration und Gleichstellung des Kantons St. Gallen in diesem spannenden Projekt begleiten und mit unserer Expertise zur Seite stehen durften. 

Ab Anfang 2023 können Sie sich selbst vom Integrationsportal «Hallo SG» überzeugen.  

Quellen:

Bevölkerung nach Migrationsstatus | Bundesamt für Statistik (admin.ch)

Dr. Wiebke Hähl, Consultant

Consultant

Studierte Psychologin mit den Schwerpunkten Wirtschaftspsychologie und Sport- & Gesundheitspsychologie. Nach ihrer Dozentur und Promotion an der TU München ergänzt sie nun die Ergonomen. Mit ihrer methodischen Erfahrung und ihrem fundierten Wissen zum menschlichen Denken und Handeln fokussiert sie sich auf die Bereiche User Research und Verhaltensökonomie, sowie Training & Schulungen. In ihrer Freizeit ist sie meist in der Turnhalle oder am Klavier zu finden.

Sandro Zuppiger, MSc, Consultant

Consultant

Sandro Zuppiger hat einen Master-Abschluss in Verhaltensökonomie von der Erasmus School of Economics in Rotterdam und ergänzt Die Ergonomen mit seinem Interesse an menschlichem Verhalten und Verhaltensänderung. Mit seiner Erfahrung in Marketing, Strategie und Kommunikation konzentriert sich Sandro Zuppiger auf die Geschäftsbereiche Verhaltensökonomie, Geschäftsentwicklung und Marketing. In seiner Freizeit ist er gerne in der Natur oder macht Musik.

Kontakt