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I wie Infinite Scroll

Mit Infinite Scroll ist ein relativ neues Navigationsprinzip gemeint, das Inhalte, Suchresultate etwa, in Form einer «endlosen» vertikalen Liste präsentiert. Damit steht es im Gegensatz zur sogenannten Pagination, die die Inhalte seitenweise ausgibt.

27. Juni 2022
Dr. Christopher H. Müller, Inhaber, Expert Consultant

Inhaber, Expert Consultant

Theorie

Mit Infinite Scroll ist ein relativ neues Navigationsprinzip gemeint, das Inhalte, Suchresultate etwa, in Form einer «endlosen» vertikalen Liste präsentiert. Damit steht es im Gegensatz zur sogenannten Pagination, die die Inhalte seitenweise ausgibt.

Realität

Natürlich sind die Listen auch bei Infinite Scroll nicht unendlich lang, aber weil beim Scrollen im Hintergrund ständig Inhalte nachgeladen werden, kommt das den Nutzenden so vor. Besonders bei mobilen Geräten ist das Verfahren beliebt. Der Nutzer findet es cool, weil es ihm erlaubt, sich nonchalant mit dem Daumen durch lange Listen zu wischen. Das spart ihm Klicks (oder heisst das hier Tapps?) und richtig gelöst, verkürzt es auch die gefühlten Ladezeiten. Die Website, die App erscheint schlank und rank, weil sie weniger Navigationselemente benötig. Und die Betreiberin profitiert, weil endlose Listen zu endlosem Verweilen einladen und damit mehr Nutzerdaten abwerfen.

Genau das nutzen Instagram, YouTube, Facebook und dergleichen längst gnadenlos aus und bringen damit das ganze Konzept in Verruf. Es steht seit einiger Zeit unter Verdacht, süchtig zu machen und gilt besonders unter Jungendschützern als böse. Nicht mal seinem mutmasslichen Erfinder, dem Ex-Mozilla-Mitarbeiter Aza Raskin, scheint es noch geheuer zu sein. Schon 2018 fand er in einem BBC-Interview, die Apps der notorischen Datensauger wirkten, «als ob sie Verhaltens-Kokain über ihre Interfaces streuen».

Hinzu kommen noch ein paar weitere Nachteile: Weil man das Ende der Seite ja nie erreicht, fällt beispielsweise der Footer als Navigationselement weg. Viel gravierender allerdings wiegt, dass die Konversion darunter leidet. Hier rächt sich halt, dass die Leute zwar länger in der Liste bleiben, sich aber die einzelnen Einträge weniger genau ansehen.

Fazit

Wer hip aussehen und möglichst viele Daten abschöpfen will, für den kann Infinite Scroll ein Segen sein. Wer hingegen etwas verkaufen will, sollte eher über Pagination oder Mischformen nachdenken.

Veröffentlicht in: Netzwoche Ausgabe 8, 2022

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Dr. Christopher H. Müller, Inhaber, Expert Consultant

Inhaber, Expert Consultant

Dr. Christopher H. Müller, Gründer und Inhaber der Ergonomen Usability AG, promovierte am Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich. Er ist seit mehr als 22 Jahren Experte für Usability und User Experience. Sein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen ermöglicht es ihm, rasch die Bedürfnisse und Perspektiven der Kunden zu verstehen. Mit viel Kreativität und Mut unterstützt er seine Kunden in Digitalisierungsvorhaben und bei der Optimierung von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Er verfolgt einen praxisorientierten Ansatz und entwickelt massgeschneiderte Lösungen, die effektiv umgesetzt werden können. Dr. Christopher H. Müller ist Kolumnist in der Netzwoche. Weitere Engagements sind unter anderem Stiftungsrat bei der Stiftung Zugang für alle, Mitglied in zwei Swico-Beiräten und Co-Präsident der Regionalkonferenz Nördlich Lägern.

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