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S wie selektive Aufmerksamkeit

Alles, was sich im Fokus befindet, wird besser und schneller erfasst. Alles, was ausserhalb bleibt, fällt aus unserer Wahrnehmung heraus. Wer darauf aus ist, Aufmerksamkeit mit rüden Methoden einzufordern, wird letztlich verlieren.

7. May 2020
Dr. Christopher H. Müller, Owner, Expert Consultant

Owner, Expert Consultant

Theorie

Im deutschen Sprachraum nennen wir es selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit, die Angelsachsen reden von selective attention. Alle meinen indes die Fähigkeit des Menschen, seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und dabei Reaktionen auf Irrelevantes zu unterdrücken. Man kann sich das etwa wie das Heranzoomen an ein Objekt vorstellen. Das sorgt dafür, dass alles, was sich im Fokus befindet, besser und schneller erfasst wird. Alles, was ausserhalb bleibt, fällt aus unserer Wahrnehmung heraus. 

Realität

Selektive Aufmerksamkeit kann im Alltag sowohl Segen als auch Fluch sein. Auf der einen Seite hilft sie uns, selbst unter den zweifelhaften Bedingungen eines Grossraumbüros halbwegs effizient zu arbeiten. Auf der anderen Seite bringt sie uns in Gefahr, wenn wir uns am Steuer aufs Handy statt auf die Strasse konzentrieren. Schliesslich kann sie uns auch dazu verleiten, Zusammenhänge auszublenden. Dann sehen wir nur noch das, was wir zu sehen erwarten. Das hilft natürlich ungemein, Vorurteile zu hegen und zu pflegen.

Auch im Internet hat das Spiel mit der selektiven Aufmerksamkeit zwei Seiten. Da gibt es Sites, die sie subtil nutzen, um die Kundschaft sicher durch Prozesse zu führen. Und es gibt die anderen, die versuchen, sich Aufmerksamkeit durch überdeckende Pop-ups, blinkende Buttons oder ungefragt abspielenden Sound oder gar Videos anzueignen. Dabei könnte man eigentlich wissen, dass Solches allenthalben gehasst wird. 

Fazit

Im Web mit selektiver Aufmerksamkeit zu arbeiten, kann sich durchaus lohnen – es bleibt aber stets eine Gratwanderung. Subtile Unterstützung, etwa in Form von kontextgesteuerten Hinweisen oder Handlungsanweisungen am rechten Ort und in der richtigen Form, wird von den Nutzenden gerne angenommen. Wer aber darauf aus ist, Aufmerksamkeit mit rüden Methoden einzufordern, wird letztlich verlieren. Und für die, die es genau wissen wollen: Aufmerksamkeit lässt sich messen, mit Eyetracking beispielsweise.

Netzwoche Ausgabe 8, 2020

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Dr. Christopher H. Müller, Owner, Expert Consultant

Owner, Expert Consultant

Dr. Christopher H. Müller, founder and owner of Ergonomen Usability AG, earned his PhD from the Institute for Hygiene and Applied Physiology at ETH Zurich. With over 22 years of experience, he is an expert in usability and user experience. His strong sense of empathy allows him to quickly understand the needs and perspectives of his clients. With creativity and courage, he supports his clients in their digitalization projects and the optimization of products, services, and processes. He takes a practical approach, developing tailored solutions that can be effectively implemented. Dr. Christopher H. Müller is a columnist for Netzwoche. He also serves as a board member for the Zugang für alle Foundation, and is a member of two Swico advisory boards and co-president of the Regional Conference Nördlich Lägern.

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